Sollte Elternzeit auch für Väter zur Normalität werden?
Mittlerweile nehmen ca. 42% aller Väter in Deutschland Elternzeit. Das ist gut so. Ich freue mich, dass ich einer davon war. Egal, ob die Elternzeit direkt nach der Geburt genommen wird oder zum Beispiel zur Eingewöhnung in eine Krippe oder Kita; es ist eine unglaublich intensive und wertvolle Zeit, die man mit seinen Kindern erleben kann. Gerade die ersten Wochen und Monate zu Hause sind für die Bindung zwischen Eltern und Kindern besonders wichtig. Durch eine Elternzeit der Väter können nicht nur die Aufgaben im Haushalt oder bei der Betreuung älterer Kinder, sondern auch das Kennenlernen und Erleben des neuen Kindes auf zwei Schultern verteilt werden.
Ich kann berichten, dass ich in den Phasen der Elternzeit sehr intensive, fordernde, aber auch wunderschöne Tage erleben durfte. Trotzdem stelle ich mir immer wieder die Frage, warum wir in Deutschland nur bei 42% sind und die Väter in der Regel nur zwischen einem bis zwei Monaten Elternzeit nehmen, mich eingeschlossen.
Spannend ist in dem Zusammenhang das isländischen Elternzeitmodell. In Island kommen die Väter auf eine Quote von nahezu 90%. Warum ist das so?
Einerseits liegt die finanzielle Ersatzleistung bei 80% im Vergleich zu Deutschland mit nur 67%. Andererseits ist die isländische Elternzeit geschlechtsneutral. Das heißt, dass es in Island keinen Unterschied zwischen Mutterschutz, Väterzeit oder Elternzeit gibt. Seit 2021 können sich Mütter und Väter je 6 Monate Elternzeit nehmen. Das heißt, dass in Island die Anreize auch für Väter Elternzeit zu nehmen stark erhöht wurden.
Der Zuwachs von Elternzeit bei Vätern ist also eine Frage der Anpassung von Gleichberechtigung, was offensichtlich in Deutschland bisher noch nicht so gut gelungen ist, wie in anderen Ländern.
In Deutschland kommt es auch sehr auf die Branche an, in der ich als Vater arbeite. Ist Elternzeit dort anerkannt? Wie verhalten sich Vorgesetzte und Kolleg*innen?
In dem Fall hatte ich Glück, dass ich für die Stadtverwaltung arbeite. Dort wird die Vereinbarkeit von Beruf und Familie tatsächlich möglich gemacht, indem es sehr einfach ist Elternzeit zu beantragen. Außerdem wird es in den meisten Fällen weder von Vorgesetzten, noch von Kolleg*innen in Frage gestellt oder kritisiert, dass man sich als Vater um die frühkindliche Erziehung kümmern möchte.
Wobei ich mir die Frage stelle, wie einfach oder schwer es Väter z.B. in Handwerksbetrieben haben, als Selbständige oder in höheren Führungspositionen.
Auch an der Stelle muss erwähnt werden, dass die Isländer diese Unterscheidungen sehr gut auflösen konnten. Dort gibt es eine breite, gesellschaftliche Anerkennung für Väter Elternzeit zu nehmen.
Für mich kann ich festhalten, dass die Elternzeit zur schönsten Zeit in meinem Leben gehörte und dass ich mir ein bisschen mehr “isländischen Mut und Inspiration” für das deutsche Modell wünschen würde, damit für mehr Väter mehr Elternzeit Normalität wird.
Autor*in: Michael Schwarz (Sachgebiet Pädagogische Programme, Fachbereich Schule, Landeshauptstadt Hannover)