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Willkommen Baby

Väter behandeln Söhne und Töchter häufig unterschiedlich

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Väter behandeln ihre Töchter anders als ihre Söhne. / © Lea Ette

Scheinbar immer dagewesene Vorstellungen von Geschlecht brechen auf – Männer und Frauen sollen gleichberechtigt sein. Im Kernbereich Familie zeichnet sich eine egalitärere Aufgabenverteilung ab, doch auch die Eltern-Kind- und insbesondere die Vater-Kind-Beziehung stehen im Umbruch.

Unterschiede im väterlichen Verhalten

Die 2017 veröffentlichte US-amerikanische Studie „Child Gender Influences Paternal Behavior, Language, and Brain Function“ fand deutliche geschlechtsspezifische Unterschiede im Verhalten. Mit Söhnen raufen und toben Väter mehr, Töchtern hingegen singen oder pfeifen sie mehr vor und sind ihnen gegenüber insgesamt ansprechbarer. Es gibt also Indizien dafür, dass auch in westlichen Gesellschaften, in denen Männer und Frauen offiziell gleichgestellt sind, Jungen und Mädchen eine unterschiedliche Erziehung vom Vater erfahren.

Die bereits erwähnte Studie betont, dass den Vätern keine schlechten Absichten aufgrund dieses geschlechtsspezifischen Umgangs unterstellt werden sollten: Er könne unbewusst und unbeabsichtigt geschehen oder sogar absichtlich, um das Kind auf die Geschlechterrolle im Erwachsenenalter vorzubereiten. Wildes Toben, wie es Väter oft mit ihren Söhnen tun, soll die Popularität des Kindes unter Gleichaltrigen beeinflussen. Die höhere Ansprechbarkeit für Töchter könne hingegen zu einer höheren Empathiefähigkeit der Mädchen führen.

Warum unterscheidet man(n) nach Geschlecht?

Ein weiteres Ergebnis besagt, dass Väter von neu- und erstgeborenen Söhnen doppelt so viel Zeit mit ihrem Kind verbringen wie jene mit entsprechenden Töchtern. Eine Erklärung könnte sein, dass Väter lieber Zeit mit ihrem Kind verbringen, wenn es das gleiche Geschlecht hat. Dahinter verbirgt sich möglicherweise auch Angst, sich mit einem Kind des anderen Geschlechts schlechter identifizieren und für es keine zufriedenstellende Bezugsperson sein zu können.

Der Geschlechterunterschied zwischen Vater und Tochter sollte nicht als Nachteil, sondern als eine Bereicherung verstanden werden. Die Vaterrolle kann geschlechtsspezifisches Verhalten sowohl der Söhne als auch der Töchter unterstützen. In der Vater-Sohn-Beziehung wird vor allem die Ähnlichkeit hervorgehoben; Mädchen hingegen lernen feminines Verhalten in der kontrastreichen Interaktion mit dem andersgeschlechtlichen Vater.

Was genau aber unter der Vaterrolle verstanden wird, ist auch Resultat der eigenen Sozialisation. So scheint es verständlich, dass selbst engagierte Väter Sorge haben, ihre Kinder je nach Geschlecht unterschiedlich zu behandeln – denn wie kann man seine Kinder von einem Rollensystem fernhalten, nach dessen Regeln man selbst sozialisiert wurde und lebt?

Wie geht es anders?

Erforderlich für eine geschlechtsneutralere Erziehung sind insbesondere Offenheit und die Bereitschaft, über das eigene Verhalten zu reflektieren. Denn die meisten Geschlechternormen sitzen im Unterbewusstsein.

Auch die Sensibilisierung des Kindes selbst kann helfen: Szenen, in denen sich aktiv beobachten lässt, wie bestimmte geschlechtsspezifische Erwartungen an Menschen aufgrund ihres Aussehen oder Verhaltens gestellt werden, könnten Anreiz sein für gemeinsames überlegen, ob sich das Erlebte richtig anfühlt. Auch können dem Kind eigene Erfahrungen mit geschlechtsbedingter Ungerechtigkeit erzählt und geschichtliche Hintergründe zum Thema erklärt werden.

Abschließend lässt sich festhalten: Väter behandeln ihre Töchter anders als ihre Söhne, aber nicht aus bösen Absichten, sondern primär unbewusst. Es bedarf einiger Selbstreflexion, um sich dieser Unterschiede bewusst zu werden. Die geschlechtsspezifische Erziehung an sich muss nicht zwingend negativ sein, da sie Kindern den späteren Einstieg in die Erwachsenenwelt, die eben von Geschlechterrollen geprägt ist, erleichtert. Andererseits sind ebendiese Geschlechterrollen und -verhältnisse gerade im Umbruch, weshalb Kinder von einer geschlechtsneutraleren Erziehung profitieren könnten.

Von Linda Norval

Die Autorin ist Studentin der Sozialen Arbeit an der Hochschule Hannover, der Beitrag basiert auf einer Studienarbeit bei Prof. Eickhorst.
Datum: 30 Sep, 2020